Der Ritter Hartmann und sein rätselhafter Tod auf dem Eichholz.
Die Geschichte der Familie von Fleckenbühl
Wie Ihnen sicherlich schon aufgefallen ist, ist auf den Einladungsplakaten zu unseren Kulturveranstaltungen stets zuerst "Hartmann lädt ein" zu lesen. Falls Sie sich schon immer gefragt haben, wer dieser Hartmann ist und was er mit der Alten Kirche Bürgeln zu tun hat, sind Sie auf dieser Seite richtig. Hier erfahren Sie etwas mehr über ihn, seine Familie und seinen rätselhaften Tod auf dem Eichholz.
Aber von vorne: Der Besitz des Wetzlarer Stifts war ein größerer Güterbezirk um den Haupthof in Bürgeln. Dieser wurde im Jahre 1273 vom Wetzlarer Stift an Konrad, genannt Brundel von Marburg, verlehnt und umfasste die Dörfer Betziesdorf, Bracht, Ginseldorf, Schönstadt und Schwarzenborn sowie die Wüstungen Brunshofen, Dampertshausen, Rodenrode, Rondshausen und Waldmühle. Konrad war der Vorfahre der Herren von Fleckenbühl, genannt Bürgeln (oder Birgel) und sein Vater Andreas hatte bereits 1244 die Verwaltung des Stifthofes Cölbe zu Lehen erhalten.
Nach dem Tod Konrads verkaufte das Wetzlarer Marienstift am 28.07.1334 seinen Besitz in Bürgeln gegen die Zahlung eines jährlichen Zinses an den Landgrafen von Hessen, Heinrich II, welcher wiederum im Jahr 1358 die Herren von Fleckenbühl mit der Vogtei Bürgeln belehnte.
Die Familie zählte zu den Verbündeten des Erzstifts Mainz und damit zunächst zu den Gegnern des Landgrafen von Thüringen, aber im Jahr 1350 haben sie sich aber mit den Marburger Landgrafen arrangiert und erhielten daraufhin die Burg Bürgeln als Lehen. Der endgültige Ausgleich zwischen den frühereren Besitzern der Vogtei (derer von Fleckenbühl) und den neuen Herren (Landgraf von Hessen) erfolgte 1395, als das bisher gemeinsam zustehende Gericht Schönstadt zwischen den Landgrafen von Hessen und den Fleckenbühlern aufgeteilt wurde.
Die Familie von Fleckenbühl war ein wehrhaftes, niederadliges Geschlecht und hatte beträchtlichen Grundbesitz innerhalb des Gerichtes Schönstadt. Die Gebäude des ehemaligen Schlosses werden seit 1984 von der bundesweit bekannten Suchthilfeeinrichtung Fleckenbühl genutzt, die die Gebäude in den 1980er Jahren restaurierte und die Landwirtschaft wieder in Schwung brachte.
Die Familie baute am nordwestlichen Rand von Bürgeln, direkt am Einlauf des Baches Rotes Wasser, eine Burg, deren Besitzer über die Jahre mehrfach wechselte. Die Niederungsburg wurde im Jahre 1358 erstmals urkundlich erwähnt. Es ist allerdings nicht genau bekannt, wann die Burg aufgegeben wurde, vermutlich aber noch vor dem Jahre 1726, da sie danach keine Erwähnung mehr fand.
Offensichtlich wurde die Burg zur Gewinnung von Baumaterial abgebrochen und an gleicher Stelle entstand ein Gutshof, in welchem die Mauerreste der ehemaligen Burg verbaut sind. Daneben enstand später ein weiterer Gutshof, welcher denen von Hatzfeld, später denenvon Scholley gehörte und im Jahre 1746 in den Besitz der von Fleckenbühl überging.
Die einstige Kapelle, aus der später die Alte Kirche in Bürgeln entstand, wurde sehr wahrscheinlich von den Vorfahren „derer von Fleckenbühl“ gestiftet und mit dem Erhalt der Rechte in den Jahren 1273, 1358 sowie 1395 fiel sie ihnen (erneut) zu.
Die Stifter der Kirche, Wilhelm und Endres von Fleckenbühl, sind vermutlich auch in der Alten Kirche Bürgeln beigesetzt, denn im Fußboden des Anbaus finden sich ihre Gedenksteine. Neben diesen sind auch noch weitere Grabsteine im Fußboden der Alten Kirche Bürgeln zu finden, allerdings sind diese heute kaum noch lesbar. Zum Teil erinnern diese aber wohl auch an verstorbene Mitglieder der Familien der Herren von Fleckenbühl.
1419 mussten die Herren von Fleckenbühl die ihnen zugefallene Hälfte des Gerichts Schönstadt von den Landgrafen zu Lehen nehmen, nachdem im Jahre 1376 dem Landgrafen bereits der adligen Burgsitz Bürgeln zu Lehen aufgetragen wurde. 66 Jahre später musste Groppe von Fleckenbühl seinen Teil wegen Geldmangel sogar an Hessen verpfänden und erst der Schwiegersohn Johann von Hatzfeld konnte die verpfändete Hälfte im Jahr 1515 einlösen, wofür er dann die Burg Bürgeln und ein Viertel des Gerichts Schönstadt als hessiches Lehen für sich behalten durfte.
Die genannte Familie ist übrigens seit dem Jahr 1472 im Besitz der Namensbezeichnung „zu Fleckenbühl, genannt Bürgeln“, da ein Teil der Familie in diesem Jahr ihren Wohnort von Fleckenbühl nach Bürgeln verlegte.
Durch die Abhängigkeit vom Landgrafen, der die Reformation in Hessen eingeführt hatte, waren die Herren von Fleckenbühl im Jahre 1529 evangelisch geworden. Spätestens um 1530 hatte die Familie Einfluss auf die Kapelle in Bürgeln und die Ernennung des Priesters, auch wenn formal die Landgrafen als Landesherren das Patronatsrecht hatten. Die Martinskirche in Schönstadt war zu dieser Zeit sowohl die Mutterkirche als auch die Pfarrei. Der erste evangelische Pfarrer war möglicherweise Johann Fleckenbühl, genannt Bürgeln (1502 - 1530).
Der in unserem Namen zu Veranstaltungen einladende Ritter Hartmann und sein Bruder wohnten mit ihren Familien in der Burg zu Bürgeln. Ihre Großeltern waren in wirtschaftliche Not geraten und daher gezwungen, Fleckenbühl sowie eine Reihe von Gütern an die von Hatzfeldts abzugeben und die Nachfahren hatten immer noch große Not, sich wieder aus dieser misslichen Lage zu befreien.
Im 16. Jahrhundert, zu Lebzeiten von Hartmann, residierte auf Fleckenbühl sein Vetter Wilhelm von Hatzfeld. Er war sehr reich und hatte zu seinem Schutz und sicherlich auch zur Unterstreichung seines Ansehens einige Reisige (Knechte bzw. bewaffnete Krieger) beschäftigt. Diese trugen erheblich zur Repräsentation seines Reichtums und seines Standes nach außen hin bei.
Der in Bürgeln lebende, stark zurückgedrängte Teil der Familie von Fleckenbühl war währenddessen bestrebt, die wenigen ihr gebliebenen Güter intensiv zu nutzen, ihr Hab und Gut abzusichern und in Streitfällen alles für die Erhaltung und Zurückgewinnung ihres Besitzes zu tun.
Im März 1562 wurde Hartmann von Fleckenbühl, genannt Bürgeln, auf dem Eichholz infolge eines Streites zwischen denen von Fleckenbühl und denen von Hatzfeld von zwei Hatzfelder Reisigen erschossen.
QUELLE: Heinrich Seibel: Chronik des Dorfes Bürgeln. Burgwald‐Verlag, Bürgeln 1978.
Streitfälle über den Verlauf von Grenzen oder über Besitzverhältnisse waren zu dieser Zeit keine Seltenheit, weshalb man durchaus zu der Annahme gelangen kann, dass Hartmann von Fleckenbühl, genannt Bürgeln, im Zusammenhang mit einem solchen Streit ermordet wurde. Angeblich soll es um ein Stück Wald mit Birken und Eichen gegangen sein, wie er dort noch nach einer Karte aus dem Jahre 1701 gewachsen ist.
Der Anstifter zu dem kaltblütigen Mord soll Wilhelm von Hatzfeld gewesen sein, der damalige Besitzer von Fleckenbühl. Zumindest wird der Verdacht des Anstifters oder gar Auftraggebers erhärtet, da unmittelbar nach der Tat seine beiden Vasallen nach Marburg ins Gefängnis gebracht wurden. Die verbliebenen Fleckenbühler in Bürgeln gaben Wilhelm die alleinige Schuld an dem Tod von Hartmann und bedrohten und bedrängten ihn so sehr, dass er sogar überlegte zu fliehen. In einem Brief tat er seine Absicht kund „dass ich meine heußliche Wohnung (…) an einen anderen Ort verrücke“.
In Marburg existieren keine Akten von einem Mordprozess aus dem Jahre 1562 oder später, aber 1567 verfasste Wilhelm von Hatzfeldt zu Fleckenbühl, der damalige Schlossherr und Großvater der Anna Bilge von Scholley, geb. von Hatzfeldt, eine Bittschrift an den Landgrafen, in der er sich für die Freilassung des im Gefängnis sitzenden Untertanen einsetzte. Wilhelm nannte den Mord einen Unfall und beteuerte seine Unschuld: Er selbst wäre zu der Tatzeit in Kassel gewesen und "hätte von dem Zwischenfall und Streitigkeiten kein Wissen gehabt". Stattdessen bezichtigt er seine beiden Vettern Andreas und Wilhelm von Bürgeln der Rachgierigkeit.
Der ebenfalls festgenommene zweite Vasalle war zu diesem Zeitpunkt bereits im Gefängnis verstorben und auch vom weiteren Schicksal des ersten Vasallen wurde nichts überliefert. Es ist aber davon auszugehen, dass dieser ebenfalls im Gefängnis verstarb.
Am Ort der Ermordung, etwa 250 Meter östlich der heutigen B3, 700 Meter südlich des Hofgutes Fleckenbühl, am Eichholz, ist noch heute ein beschädigtes Steinkreuz mit lesbarer Inschrift zu sehen, welche Kopf, Arme und Schaft füllt. Die Inschrift des Sühnekreuzes aus rotem Sandstein gibt Auskunft über den Anlass und das Datum der Aufstellung und lautet:
ANNO V[ON FLEK] |
Die Rückseite des knapp über ein Meter hohen Kreuzes trägt ein Wappen im Relief, auf dem ein Nackenjoch (Geschirr der Großzugtiere) dargestellt ist: Das Fleckenbühler Wappen, welches bis zum Aussterben der Familie im Jahr 1796 unverändert blieb und bis heute das offizielle Ortswappen von Bürgeln ist.
QUELLE: http://kreuzstein.eu/html/body_niederklein.html.
Es wird angenommen, dass Wilhelm von Hatzfeld das Sühnekreuz auf dem Eichholz errichten ließ um sein Gewissen zu erleichtern, auch wenn weder ein Sühnevertrag noch andere Prozessakten vorhanden sind.
Durch die zwischenzeitliche Rodung des Waldes und der Zusammenlegung der Grundbesitze innerhalb der Gemeinde bekam das Flurstück, auf dem das Kreuz stand, im Jahre 1914 einen neuen Weg. Daher wurde das Sühnekreuz in den 1930er Jahren um etwa 50 Meter an den Rand des naheliegenden neuen Wirtschaftsweges versetzt, wo es heute noch steht.
Das Kreuz, welches bei der Registrierung der Steinkreuze im Kreis Marburg mit der Nummer 405 versehen wurde, ist mit dem Schaft in einer sogenannten Dogge, einem untertägig nicht sichtbaren Sandsteinblock, verankert und somit besonders standfest. Im Winter und Frühjahr ist es hinter dem „kleinen Chausseehaus“ von der Bundesstrasse 3 aus deutlich sichtbar und eine Ruhebank lädt zum Verweilen ein.
QUELLE: http://kreuzstein.eu/html/body_niederklein.html.
Den heute fehlenden Arm muss das Kreuz schon sehr lange verloren haben und für die Ursache gibt es die verschiedensten Auslegungen:
So existiert beispielsweise ein alter Heilspruch, der vom Marburger Land bis hinauf in den Raum Kassel bekannt war: „So einer bezaubert wurde, der gehe zu einem Kreuz im Felde, da einer geschlagen wurde, gehe dreimal links herum in der Dreihöchsten Namen, schlage ein Stück Kreuz ab und werfe es in fließendes Wasser und spreche „Ich werfe dich in diesen Fluß, damit alle Zauberei und alles Unglück hinweg-fließe und müsse den bestrafen, der mir solches angetan“
Im Heimatkundeunterricht in der Bürgelner Grundschule lernt(e) man, dass der eine Arm des Kreuzes einst vom Blitz abgeschlagen wurde.
Weitere Erzählungen in Bürgeln und Schönstadt berichten von einem einarmigen Mann, der dort begraben sein soll oder von einem Ritter, dem ein Arm von seinem feindlichen Bruder abgeschlagen wurde.
Ein Epitaph für den Ritter Hartmann von Fleckenbühl kam in die Alte Kirche Bürgeln: Unterhalb der Kanzel an der Kirchenwand in der Sakristei befand sich früher die kunstvolle Grabplatte. Die Inschrift bestätigen die Angaben auf dem Sühnekreuz und hier kann man auch die Jahreszahl, deren letzte Ziffer auf dem Kreuz abgeplatzt ist, eindeutig ablesen: 1562. Es ist daher anzunehmen, dass Hartmann in der Alten Kirche Bürgeln oder im engeren Bereich des Kirchhofs beigesetzt wurde.
Die sehr gut erhaltene und kunstvoll gestaltete Grabplatte, die ihn als Ritter in voller Rüstung zeigt, ziert heute die Eingangshalle der neuen Kirche. Nach der Bildhauerkunst, dem Wappen und der eingemeißelten Schrift zu urteilen, handelt es sich bei dem Sühnekreuz und der Grabplatte wegen der weitgehenden Stil-Ähnlichkeit, vermutlich um Werke des gleichen Steinmetzes.
Die Inschrift der Grabplatte lautet: 1562 STARB DER EDEL VND ERNFEST HARTMAN VON FLECKENBIL GENANT BVRGELN.
Ein weiteres Mitglied der Familie von Fleckenbühl machte sich Ende des 17. Jahrhunderts um die Alte Kirche Bürgeln verdient: Philipp Otto stiftete die 1694 angefertigte hölzerne Kreuzigungsgruppe, hat darüber hinaus die Kosten der geschnitzten barocken Kanzel mit Schalldeckel sowie des Altars mitgetragen und spendete fast das gesamte Holz für den Umbau der Alten Kirche Bürgeln. Die Familie hat sich in der Spätgotik somit bedeutende Verdienste um den Ausbau der Kapelle zu einer Kirche erworben. Sie hat einen spätgotischen Chor anbauen lassen, den Kirchhof erweitert und schließlich das Westportal errichtet um einen einfacheren und würdigeren Eintritt in die Kirche zu ermöglichen.
Nachdem 1616 ein Viertel des Gerichts Schönstadt von den Hatzfelds durch Heirat an die von Scholley und später durch Kauf an die von Dalwig ging, übernahmen 1746 die Herren von Fleckenbühl wieder den Besitz der beiden Gutshöfe in Bürgeln.
Im Jahr 1796 starb das Geschlecht derer von Fleckenbühl, genannt Bürgeln dann endgültig aus. Der Nachfolger der beiden Gutshöfe in Bürgeln wurde im Jahr 1829 der Landgraf von Hessen – Rumpenhain, auf den damit auch das Patronatsrecht der Bürgelner Kirche überging.
Quellangaben:
Karl Junk-Heiner Salz, Steinmale im Burgwald, 2003, S. 90-91,
Heinrich Riebeling, Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, S. 107-108, daraus:
Wolgang Kehm,Steinkreuze und Kreuzsteine im Gau Kurhessen, AGD-Archiv unveröffentl. Manuskripte,
Wilhelm Lange, Über Steinkreuze, 1909 u. Hess. Gebirgsbote, 1917, Nr.1-2, S. 130,
Wilhelm Niemeyer, Alte Steinkreuze am Wegesrand, KP 19.11.1960,
W. Niemeyer u. Friedrich KarlAzzola, Die alten Steinkreuze und Kreuzsteine im Stadt- u. Landkreis Marburg, ZHG 80 (1969) S. 37-74
Heinrich Seibel: Chronik des Dorfes Bürgeln. Burgwald‐Verlag, Bürgeln 1978.
Rudolf Knappe: Mittelalterliche Burgen in Hessen. 800 Burgen, Burgruinen und Burgstätten. 3. Auflage. Wartberg, Gudensberg-Gleichen 2000
http://kreuzstein.eu/html/body_niederklein.html.
www.junkernpfad.de
http://www.betziesdorf.de/Das_Dorf/Zur_Geschichte/hauptteil_zur_geschichte.html
https://www.die-fleckenbühler.de/